Jeux Dramatiques und Literatur
Literarische Texte sind in den Jeux Dramatiques die am häufigsten verwendete Spielvorlage. Die Einsatzmöglichkeiten von Lyrik und Prosa sind vielfältig und werden im ersten Abschnitt beschrieben. Mit der Methode des "Kreativen Schreibens" (2) wird eine Möglichkeit vorgestellt, wie man selbst Texte verfassen und diesen kreativen Prozess mit dem Ausdrucksspiel verbinden kann.
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1. Literatur als Spielvorlage
Literatur eignet sich hervorragend als Spielvorlage für Jeux Dramatiques. Im Ausdrucksspiel werden literarische Inhalte gewissermaßen lebendig, erfahren aber auch die subjektive Interpretation der Spielenden. Durch den Vortrag oder das Lesen der Texte und den Rollenwahlprozess erfolgt eine intensive Auseinandersetzung mit der Sprache, den Charakteren, den Naturschilderungen und Lebenswelten oder aber auch mit dem Irrationalen oder Fiktiven.
Im Spiel wird der literarische Text aus der Perspektive einer Rolle erlebt und durchdrungen. Botschaften oder Erkenntnisse, die von den Autor*innen in ihrem Werk verschlüsselt wurden, werden erlebbar. So können die literarischen Werke, die beim Lesen zunächst intellektuell erschlossen wurden, im Spiel ganz neue Facetten und Bedeutungsebenen aufzeigen. Die Vollkommenheit, Schroffheit oder Schlichtheit eines Textes berührt die Spielenden. Im Prozess der Verarbeitung, dem vierten und letzten Schritt der Spielstruktur, wird das subjektive Erleben reflektiert. Im Anschluss können Werk und Leben des Autors/ der Autorin thematisiert werden.
Folgende literarische Texte eignen sich zum Ausdrucksspiel:
- Lyrik
- Kurzgeschichten, Erzählungen
- Märchen, Mythen und Sagen
- Novellen und Romane
- Theaterstücke
- Liedtexte oder Libretti
Auch Sachtexte können als Spielgrundlage dienen, z.B.:
- Texte über Natur, Technik, Geschichte…
- Zeitungsartikel, Reportagen, Reiseberichte
- Biografien und Autobiografien
Die Texte können ganz oder in Auszügen gespielt werden. Auslassungen werden ggf. erzählend ergänzt. Manche Texte sind so dicht, ihre Wortwahl so geschliffen und bewusst gesetzt, dass sie nicht verändert werden sollten. Texte mit einem großem Anteil wörtlicher Rede lassen sich oft leichter lesend begleiten, wenn man Nacherzählungen mit indirekter Rede nutzt (z.B. „Erzählungen nach Shakespeare“ oder „Shakespeare Geschichten“…).
2. Die Methode des "Kreativen Schreibens"
Schreiben als kreativer Prozess fängt Gedanken ein, gießt sie in Worte und bringt sie mit der Niederschrift ans Licht, verleiht ihnen Form und Dauer. Das schöpferische Spiel mit den Worten ist vergleichbar mit dem Ausdrucksmalen, Ausdruckstanz oder der musikalischen Improvisation. Es ist eine experimentelle Arbeitsweise. Das „Kreative Schreiben“ ist Schreiben aus dem Erleben: spontan und absichtslos füllt sich das Blatt. Worte sind überall. Wir fangen sie ein.
„Kreatives Schreiben“ ist ein weites Feld, das sämtliche literarische Formen umfasst, Gedichte, Geschichten, Märchen usw. Es steht ein unerschöpflicher Pool an verschiedenen Herangehensweisen und Methoden bereit, um die schriftlichen Ausdrucksmöglichkeiten anzuregen, das Ausdrucksspektrum zu erweitern und die entstandenen Texte im Spiel zu erfahren. Hier einige Beispiele:
- Erlebnisse und Erfahrungen lassen sich zu kleinen und größeren Texten verdichten.
- Texte können von einer Person verfasst werden oder mit anderen zusammen in der Gruppe.
- Geschichten verschiedener Teilnehmer*innen können zu einer einzigen verwoben werden.
- Man kann ein Märchen in fünf Sätzen schreiben.
- Wenige Worte fügen sich zu einem kleinen Gedicht, einem „Elfchen“ oder einem japanischen „Haiku“.
- Beim sogenannten „automatischen Schreiben“ lässt man den Gedanken freien Lauf. Man schreibt, ohne den Stift abzusetzen, lässt die Worte einfach fließen, ohne sie zu bewerten.
- Mit dem „automatischen Schreiben“ können nach dem Schlussgong des Ausdrucksspiels Empfindungen und Gefühle festgehalten werden, bevor sie dann im Nachgespräch mit anderen geteilt werden.
- Die beim Schreiben entstandenen Texte können als Spielvorlage für ein Ausdrucksspiel dienen. Im Spiel kann intensiv erlebt werden, was hinter den Worten und Geschichten steckt. Wir staunen, welche neuen Sichtweisen und Deutungen unsere Texte im Spiel erfahren und welche – oft überraschenden – Botschaften sie enthalten.
Kreatives Schreiben im Dialog mit den Jeux Dramatiques eröffnet faszinierende Möglichkeiten, die persönlichen Ausdrucksmöglichkeiten zu erweitern. Beide Methoden verzichten auf Bewertung und Interpretation von außen. Schreibend und spielend kommt man sich auf die Spur. Neue Erfahrungsräume werden geschaffen und das Erleben wird vertieft.